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02. Dezember 2006 - Kommunistische Plattform der PDS

"Wer vom Kapitalismus nicht reden will, der sollte vom Faschismus schweigen." (Max Horkheimer)

Erklärung des Bundeskoordinierungsrates der KPF

"Mein Gott, bewahre mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden werde ich allein fertig." Diese Worte Voltaires kommen einem in den Sinn, liest man Jürgen Elsässers Äußerungen in der jungen Welt vom 19. September 2006, die im Küchenkabinett der Berliner Landes-PDS noch geduldeten Ossis verbänden die Absage an Klassenkampf und Antiimperialismus mit der Bedienung ihrer Randgruppenklientel. "Mit Staatsknete wird Multikulti, Gendermainstreaming und schwule Subkultur gefördert, während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden und sich oft auch keine Kita, kein Schwimmbad und keine warme Wohnung mehr leisten können."

Keine Solidarität auf der Grundlage partieller Entsolidarisierungen

Wer - und sei es auch nur um sieben Ecken - den Schluss zulässt, die Linke könne die Asozialität dieses Systems mildern, indem sie Mehrheiten der Erniedrigten und Beleidigten dadurch gewinnt, dass sie de facto Minderheiten als Projektionsfläche für Primitivismus freigibt, der zerstört eine Wesensart der Linken. Es gibt keine Solidarität auf der Grundlage partieller Entsolidarisierungen. Das sollte Elsässer wissen. Und er wusste es auch schon einmal. Als er nämlich eine seinerzeit stellvertretende PDS-Vorsitzende namens Christine Ostrowski zu recht dafür angriff, dass sie sich mit einem Nazikader traf, um mit dem über Soziales und Nationales zu reden. Damals hatte Elsässer gleich das Gros der PDS-Mitgliedschaft mit im Visier. Zu unrecht.

Wir müssten also auf seine, hin und wieder abrupt wechselnde Meinung nicht allzu viel geben, wäre da nicht noch etwas: Elsässer bietet jenen in der Linkspartei.PDS eine Steilvorlage, denen Antikapitalismus nicht ins Konzept passt. Die Sachzwangideologie bestimmt deren Handeln. Und der oberste Sachzwang ist der Kapitalismus selbst. Die Sachzwangverwalter warnen: Die Linke solle nicht in antikapitalistischer Protestpose verharren. Unter Verweis auf die Gebrüder Strasser verwechseln sie antikapitalistisch verbrämte Demagogie der Nazis mit realem Antikapitalismus - und folgern also, mit dem Weltbild von Faschisten zu konkurrieren fehle ihnen die Lust. Sie warnen sogar davor, Antikapitalismus - mit welchen Vorzeichen auch immer - könne das Tor zu fremdenfeindlicher und antisemitischer Mobilisierung öffnen. Letzteres so geschehen im Vorfeld des Sachsen-Anhalter September-Parteitages. Ersteres so geschehen auf der außerordentlichen Tagung des 10. Parteitages ebenso wie auf der Regionalkonferenz von Berlin-Brandenburg und andernorts. Und der anscheinend lebende Beweis für all diese vermeintlichen Gefahren ist ihnen Jürgen Elsässer. Der ist zwar weder Mitglied der Linkspartei.PDS noch der WASG; doch er soll - so die stellvertretende Linksparteivorsitzende Katina Schubert am 26. November 2006 auf dem Bundesparteitag - Mitarbeiter der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag sein. Statt gegebenenfalls das Problem in der Fraktion zu klären, ziehen, wie erwähnt, Protagonisten der vor Anpassung strotzenden programmatischen Eckpunkte von Veranstaltung zu Veranstaltung und warnen vor zuviel Antikapitalismus. Und sie verniedlichen de facto den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus, indem die sozialen Ursachen für rechte Ideologie heruntergespielt werden. Die Entstehung und Entwicklung rechter Ideologie wird weitgehend individualisiert und somit die Sicht auf gesellschaftliche Ursachen für Nazi-Tendenzen verstellt.

Wie sehen wir die Dinge?

Die Anzahl der Menschen wächst, die sich sozialen Verwerfungen ebenso ausgeliefert fühlen wie einer düsteren Perspektive. Politisches Engagement erscheint ihnen zunehmend sinnlos. Sorgen drücken sie, und ein Denken über den Tag hinaus kommt ihnen so nicht in den Sinn. Gerade in Zeiten sozialer Polarisierungen wachsen die Chancen rechter Demagogen. Zunehmend fallen deren Parolen auf fruchtbaren Boden. So wie die Faschisten die Juden zum Buhmann erklärten schieben deren Enkel heute Ausländern die Schuld für Arbeitslosigkeit und Sozialabbau in die Schuhe. Mit rassistischen Losungen wie "Gute Heimreise" wird wieder suggeriert, die Ausländer seien unser Unglück. Wie gehabt setzen auch heutige Nazis auf die primitivsten Ansichten von Menschen. Nationalismus, Chauvinismus, Rassismus und nicht zuletzt der Antisemitismus sind die ideologischen Bindeglieder ihrer Aktivitäten. Und die werden zunehmend aggressiver. Verbal und auch physisch. Wo denen nicht das Wort verboten, wo solchen die Straße überlassen wird, ist es kein Wunder, dass kaum eine Woche vergeht ohne Überfälle auf Ausländer, Linke, Behinderte, ohne Schändung jüdischer Friedhöfe, antifaschistischer Ehrenmale und Gräber gefallener Sowjetsoldaten. Offen rechte Parteien erfreuen sich wachsenden Zulaufs.

Sie verbergen nicht mehr, dass sie Nazis sind

Nazis fühlen sich stark, durch erlaubte rechte Demonstrationen und legale Neonazi-Clubs und -Kneipen. Letztere spielen beim Zustandekommen rechter Gewalt keine geringe Rolle. Skinhead-Musik und Teile der Black-Metal-Szene verbreiten Botschaften von Rassenhass und zukünftigen Endsiegen. Nicht zuletzt mit CD's, die Hass und Gewalt säen, wurde Wahlkampf betrieben. Und dabei belassen es die Nazis nicht. Das brutale Agieren der mit der NPD verschmelzenden Freien Kameradschaften erinnert an SA-Praktiken. Dass Nazis schlagen, ist nichts Neues. Aber - dass sich die Faschisten in bürgerlichem Outfit in der Öffentlichkeit nicht mehr von jenen distanzieren, die ihnen die Dreckarbeit machen, das schon. Sie verbergen eigentlich nicht mehr, dass sie Nazis sind. Sie meinen, sie müssten dies nicht mehr unbedingt. Und die erhebliche Zunahme an Wählerstimmen gibt ihnen auf erschreckende Weise recht. Entsprechend ihre Tonlage. Die Menschen da draußen hätten gemerkt, mit wem es die Banditen im Schweriner Landtag zu tun kriegen würden, so der Nazi-Spitzenkandidat Udo Pastörs am Wahlabend: "Mit einer qualifiziert arbeitenden nationalen Fraktion und Nationalisten auf der Straße." Ja, viele haben gezielt Nazis gewählt. Mit dem Begriff Protestwahl lassen sich die Ergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern und andernorts nicht mehr herunterspielen. Überdimensional viele Arbeitslose waren es in Mecklenburg-Vorpommern, viele Arbeiter und ebenso viele Selbstständige. Und es waren in erster Linie Jugendliche, die den Nazis die Stimme gaben. Die jüngste Shellstudie schildert den entsprechenden Stimmungshintergrund. Vor allem sind es die unheilvollen Ängste der Perspektivlosigkeit und Deklassierung. Sündenböcke produziert der Zeitgeist. Letzterem ist auch das Kleinbürgertum besonders zugetan - schon einmal eine entscheidende Säule der Braunen. Die Gesellschaft selbst hat politisch und sozial die Zeit reif gemacht für Nazis als etabliertem Teil des politischen Systems. Und die verfügen offenkundig über ein Konzept. Und das in einer Situation, in der im Land Millionen Menschen jegliches Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben.

Statt Ursachenanalyse Verbrämung

Die Ursachenanalyse hierfür bleibt faktisch aus. Würde sie konsequent betrieben, so ginge es ohne Systemkritik nicht ab. Anstelle dessen Verbrämungen. Jenen, welche die soziale Situation als den entscheidenden Humusboden für zunehmenden Nazismus betrachten, wird entgegengehalten: Arbeitslose oder Jugendliche ohne Lehrstelle liefen den Nazis nicht häufiger zu als Facharbeiter oder Lehrlinge; auch unter Intellektuellen wachse deren Einfluss. Diese "Beweisführung" ist Verbrämung. Zwar gibt es keinen Automatismus zwischen sozialer Situation und individuellem ideologischem Standort. Aber es gibt sehr wohl einen engen Zusammenhang zwischen der, nicht zuletzt aus sozialen Faktoren gespeisten gesellschaftlichen Atmosphäre und sich ausprägenden politischen Tendenzen. Und es gibt daher auch einen engen Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlich üblichen Umgang mit der Geschichte und der Wirkung nazistischen Ungeistes in der Gegenwart. Wenn Nazis am 8. Mai 2005 unter dem Motto marschierten "Schluss mit der Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuld-Kult", dann haben sie bestenfalls die Zuspitzung "erfunden". Die These, es sei nun an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen, kommt aus der so genannten Mitte der (kapitalistischen) Gesellschaft. Die Schlussstrichmentalität in Sachen Geschichte ist ein Eckpfeiler für ideologische Konzepte der heutigen Nazis. Das Klima des Vergessens gedeiht und der Anti-Antifaschismus ist längst in der so genannten Mitte der Gesellschaft vor Anker gegangen - verankert im Sumpf des Antikommunismus. Ein gleichermaßen wesentlicher Bestandteil des Nazi-Weltbildes ist der Rassismus; dieser wird auch durch die mit dem so genannten Asylkompromiss von 1993 zunehmend verheerender werdende deutsche Asyl- und Flüchtlingspolitik stimuliert; ebenso durch die Stigmatisierungen von Millionen Muslimen unter der Flagge der Terrorbekämpfung. Und wo Rassismus gedeiht, kann eines natürlich nicht ausbleiben: das schreckliche Wiedererstarken des Antisemitismus.

Fazit

Die Hintergründe, vor denen alte und neue Nazis ihren Einfluss erweitern und vertiefen, lassen sich wohl so zusammenfassen: Zunehmendes soziales Elend, gepaart mit repressiver gewordener und gehandhabter staatlicher Ausländergesetzgebung, die "Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch" und ein in alle Poren der Gesellschaft eindringender Geschichtsrevisionismus, dessen unabdingbarer Begleiter der Antikommunismus ist. Jeder dieser Faktoren ist nachweisbar mit den ökonomischen Interessen der Herrschenden verbunden - mit Kapitalinteressen. Die Protagonisten des sozial immer brutaler und nach außen immer aggressiver agierenden Kapitalismus stört es eher nicht, dass Nazis sich zu einer Option entwickeln könnten: Für den Fall, dass die Instrumentarien der parlamentarischen Demokratie irgendwann nicht mehr ausreichen sollten, die aus der kapitalistischen Globalisierung resultierenden sozialen Verwerfungen zu beherrschen. Ein Hirngespinst? Nach Auschwitz sollte niemand mehr Hirngespinste unterstellen, wenn von Nazis die Rede ist. "Auch die Weimarer Republik", äußerte NPD-Chef Voigt unmittelbar nach Einzug seiner Partei in den sächsischen Landtag, "ist einmal geendet". Der entschiedenste Schutz vor der Ausbreitung der Nazis, ihrer Ideologie und Strukturen sind linke Kräfte, die außerparlamentarisch und parlamentarisch über Einfluss verfügen und als konsequenter Oppositionsfaktor wahrnehmbar sind. Die zukünftige neue Linke muss gerade diesbezüglich eine unbedingt in Rechnung zu stellende Kraft sein. Auch der aktuelle Kampf um die Rolle der Linkspartei.PDS als konsequente Oppositionskraft ist daher von strategischer Bedeutung. Die Linkspartei wird mit jedem Quäntchen Antikommunismus mehr, dass sich in ihr breit machen kann, mit jedem aufgegebenen Schritt oppositioneller Politik an Wirksamkeit im Kampf gegen soziale Grausamkeiten, gegen Krieg und Faschismus verlieren.
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